Der Drachen des Todes.
von George Tenner,
Lasse Larssons zweiter Fall, Schardt Verlag, Oldenburg, 2008, Klappenbroschur, 317 Seiten
Inselidyll und Chinatown
Der 2. Fall des KHK Lasse Larsson beginnt mit einem Paukenschlag. Ein Mensch stürzt sieben Stockwerke hinab in den Innenhof der Heringsdorfer Kurklinik und ist tot. Unfall, Selbstmord oder Mord? Die Ermittlungsroutinen laufen an, Personal und Bewohner befragt, Spuren gesichert. Bei dem Toten handelt es sich um den aus Singen / Bodensee stammenden stellvertretenden Baudezernenten Ferdinand Huebner, der sein Geld mit undurchsichtigen Spekulationen und im Spielcasino durchgebracht hat. Das bietet Larsson und seinen Leuten schon einen ersten Ermittlungsansatz. Zumal sich herausstellt, dass Huebner bereits hochverschuldet war. Oder könnte Wettbetrug eine Rolle spielen? Immerhin hatte das Opfer vor seinem Tode einen nicht unbedeutenden Gewinn einstreichen können.
Larsson selber kämpft mit Personalproblemen in seiner Abteilung und kann die aufgeweckte Polizeimeisterin Monika Landris vorläufig in seine Mannschaft versetzen lassen.
Dank der Gerichtsmedizin ist auch geklärt, dass der Tod Huebners Mord war: der Tote wurde vor dem Sturz betäubt.
Larsson reist nach Singen an den Bodensee, um die Witwe des Opfers zu befragen, die als Begünstigte auch tatverdächtig ist. Er findet heraus, dass Susanne Huebner ein Verhältnis
mit Arne Hoffmannhat, der als Fährführer auf dem Bodensee arbeitet. Hoffmann ist aber für einige Tage verreist und nicht erreichbar.
Gleichzeitig ermitteln die Kollegen aus Usedom gegen eine dubiose Finanzfirma mit Sitz in Ahlbeck, die auch in Kontakt zum Singener Baudezernenten Huebner gestanden zu haben scheint. Inhaber Peter Petersen gibt an, mit dem Opfer über die Bebauung eines Grundstückes am Bodensee verhandelt zu haben. Er verwickelt sich allerdings auch in Widersprüche, die ihn verdächtig erscheinen lassen.
Die Überwachungskameras am Heringsdorfer Casino führen die Ermittler um Lasse Larsson auf eine weitere interessante Spur: ein chinesisches Pärchen, welches auch andernorts mit Huebner zusammen getroffen ist. Auch der frische Strauß roter Gladiolen auf Huebners Zimmer weisen in diese Richtung, gelten diese Blumen doch als Zeichen chinesischer Triaden.
Neben positiven Ereignissen – Larsson verliebt sich in die Polizeimeisterin Monika Landris – erlebt der Kommissar auch Negatives: seine Berliner Vergangenheit holt ihn in Gestalt der Familie Arasücü wieder ein. Bei der Verhaftung eines des Ehrenmordes an seiner Schwester Verdächtigen tötete Larsson den Täter in Notwehr, dessen Famile schwor Rache und taucht nun in Heringsdorf auf. Auf Larsson wird geschossen, bevor es der Polizei gelingt, den Verdächtigen zu finden.
Der Autor George Tenner zeigt in seinen Romanen um den eigenwilligen Kommissar Lasse Larsson, der viele von Tenners eigenen Wesenzügen aufweist eine Gesellschaft, die weit davon entfernt ist, in Ordnung zu sein. Tenner kritisiert sehr offen Dinge, die er für falsch hält, spricht Dinge aus, die für manche ein Tabu darstellen. Er zeigt, dass die kleine Welt der Insel Usedom nicht heiler ist als die große weite Welt der internationalen Finanzmanipulationen oder Mafiakartelle. Er lässt den Leser teilhaben an den detaillierten Ermittlungen der Polizei, die mal in eine Sackgasse führen und mal zur Aufklärung eines Falles. Den Romanen ist die genaue Recherche anzumerken, die hinter ihnen steckt. Ausführlich schildert der Autor die Überlegungen der Polizisten, er stellt den Ermittlungsstand immer wieder dar, beschreibt auch die Irrungen und falschen Schlüsse und nähert sich so möglichst realistisch der Beschreibung der Ermittlungsarbeit. Dies bleibt insbesondere spannend, weil er psychologisch genau das Seelenleben der Beteiligten beschreibt , allen voran das der Hauptprotagonisten Lasse Larsson und Monika Landris. Er ist dabei erstaunlich nahe an dem Vorbild vieler Krimi-Autoren Henning Mankell. Es ist auch kein Zufall, dass Larsson manchmal verträumt an der Heringsdorfer Seebrücke steht und der Fähre nach Ystad nachschaut, bevor sie am Horizont verschwindet. Danach kauft er sich im Zeitungsladen eine Zeitung und genießt in der Bäckerei ein Stück Kirschkuchen.
Wenn auch jeder Schriftsteller seinen eigenen Schreibstil hat, so finden sich doch hier sehr viele Ähnlichkeiten mit Mankell im Ansatz der Plotkonstruktion, in der Beschreibung des Polizeiteams, in der Beschreibung der anscheinenden Übermacht des Verbrechens. Der Stil des Autors ist thrillergemäß vorwärts gerichtet, wird jedoch auch durch Rückblenden unterbrochen. Typisch sind auch Dialoge wie der folgende:
„Der Chinese hat Ihnen eine Frist gesetzt, in der Sie das Geld übergeben müssen?“
„Ja.“
„Wann ist der letzte Termin?“
„Am 12. Januar.“
„Also diesen Sonntag schon.“
„Ja.“
„Werden Sie zahlen?“
„Ich sagte schon, wir sind derzeit nicht liquide.“
„Wer holt das Geld, wenn Sie welches zahlen?“
Oft baut der Autor Protokolle in die Geschichte ein, dazu authentische Zitate in kursiver Schrift, welche die realitären Hintergründe der Handlung belegen. Dies schafft beim Lesen eine zusätzliche emotionale Spannung.
Meist begleitet der Leser Lasse Larsson bei dessen Ermittlungen, in kurzen Dienstbesprechungen erfährt man dann, was die Kollegen in dieser Zeit an Fakten zusammen getragen haben. Dies alles trägt zu einer recht authentische Atmosphäre bei, was auch durch die Anerkennung und Unterstützung des Autors durch die Anklamer Polizei belegt wird.
Als der Fall einen weiteren Toten später gelöst ist, ist längst nicht alles gut. Zwar konnte Huebners Mörder identifiziert werden, aber auch er war nur ein Rädchen im Getriebe des internationalen Verbrechens. Und die Drahtzieher können nicht belangt werden, befinden sie sich doch außerhalb des Zugriffbereiches deutscher Behörden.
So bleibt allenfalls das private Glück anzustreben, was Larsson dann auch versuchen wird.
Fazit: „Der Drachen des Todes“ ist ein äußerst spannender Thriller, ein Polizeiroman, der im Schafspelz des Regionalkrimis daher kommt. Er beleuchtet insbesondere das Thema der chinesischen Triaden und ihrer Tätigkeit auf deutschem Boden ausführlich, worüber es wenig aktuelle Literatur zu geben scheint. Die Orte sind, sowohl was die Insel Usedom anbelangt wie auch die übrigen Örtlichkeiten, sehr plastisch und nachvollziehbar beschrieben. Die persönlichen Ansichten des Autors, die allgemein oder durch Lasse Larsson formuliert im Buch auftauchen, sind streitbar, aber das ist auch gut so.
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Mit besten Grüßen aus Panketal
Thorsten Wirth
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Wir danken Thorsten Wirth und dem Schardt Verlag für die freundliche Zusammenarbeit