Dieter Korczak liest aus dem Buch „Meinungsfreiheit oder die Macht der Medien“
Die Bernauer Buchhandlung „Schatzinsel“ ist bis auf den letzten Platz gefüllt, als Dieter Korczak aus dem von ihm herausgegebenen Band „Meinungsfreiheit oder die Macht der Medien“ vorliest.
Er hat selbst Texte in dem Band verfasst und außerdem eine Reihe von renommierten Journalisten gewonnen, die über die grundgesetzlich garantierte Meinungs- und Pressefreiheit, über unterdrückte wie manipulierte Nachrichten und über den digitalen Informationskrieg berichten. Immer wieder lockert Korczak die vorgetragenen Texte mit Erläuterungen, weiterführenden Informationen und Reflexionen des Geschriebenen auf.
Wichtig ist ihm der Hinweis, dass Meinungs- und Pressefreiheit erst seit rund 200 Jahren besteht und gegen Kirche und Herrscher erkämpft werden musste. Heute ist das Grundrecht der freien Meinungsäußerung in Deutschland eine Selbstverständlichkeit denn es ermöglicht die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen. So sieht es jedenfalls das Bundesverfassungsgericht in seiner Interpretation des Art. 5 Grundgesetz. Das Verfassungsgericht geht vom Modell des Diskurses aus, von Meinung und Widerrede, von Abwägung und Neubewertung, von Überzeugung und überzeugen lassen. Ein solches Diskursmodell braucht als zwingende Voraussetzung kommunikative Vielfalt und kommunikative Chancengerechtigkeit. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die großen Verlegerfamilien zu den Nachkriegsgründerfamilien gehören, die von den alliierten Besatzungsmächten unmittelbar nach Ende des 2. Weltkrieges Lizenzen zur Herausgabe von Zeitungen erhalten haben. Eine dermaßen langjährige Medienkonzentration in den Händen von wenigen kann zu einer „kommunikativen Vermachtung“ führen und ist Gift für die Darstellung verschiedener wie unterschiedlicher Meinungen. Korczak zitiert den ehemaligen Herausgeber der FAZ Paul Sethe, mit den Worten: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Dass es solche
Mainstream-Meinungen gibt, die durch die politische Agenda besetzt werden, demonstriert Korczak an zahlreichen Beispielen unterdrückter oder vernachlässigter Nachrichten. Besonders beeindruckend ist die Berichterstattung über Gefahren durch Uran-Munition in Kriegsgebieten. Anfang 2001 gab es dazu eine sehr kritische Mediendebatte in Deutschland. Ein vom Verteidigungsministerium ins Leben gerufene Expertenkommission, in der auch zwei Journalisten von der ZEIT und der FAZ saßen, kam jedoch zu dem Schluss, dass Uranmunition ungefährlich sei. In beiden Zeitungen kamen dann auch prompt Berichte über die Panikmache der Medien zu diesem Thema. Das ist ein besonders drastisches Beispiel für die „Schere im Kopf“, die innere Zensur, und dafür, wie die Nähe zur Macht korrumpiert und wie „eingebetteter“ Journalismus funktioniert.
An dem Abend werden viele weitere anschauliche Darstellungen geliefert, wie Journalisten durch Schnitt, Ausschnitt und Format manipulieren, oder welchen Formen und Konsequenzen des Online-Journalismus und des „digitalen Kriegs“ vorzufinden sind. Korczak hat das Glück, dass in seinem Buch erfahrene Journalisten zu Wort kommen, die aus dem „Nähkästchen“ des journalistischen Alltags in Zeitungen und Online-Medien, aber auch in Funk und Fernsehen berichten. Die Zuhörer in der Buchhandlung lassen sich 1 ½ Stunden von den Berichten aus der Medienpraxis fesseln und sind bis zum Ende der Veranstaltung aufmerksam. Am Ende seiner Lesung will Dieter Korczak die Zuhörer nicht völlig ernüchtert aus der Veranstaltung verabschieden und gibt ihnen als Tipp auf den Heimweg mit: „Beurteilen Sie Nachrichten, Berichte und Reportagen danach, ob sie die Gewalt- und Kriegsspirale oder turbokapitalistische Entwicklungen fördern oder ob sie sich für Verständnis, De-Eskalation, soziale Gerechtigkeit und Frieden einsetzen.“
Wir danken unserem Leser Henry Müller, 8.9.2016 für den Text, Foto: Barnim+
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